Hanni - eine Schweizer Bergbäuerin by Roswitha Gruber

Hanni - eine Schweizer Bergbäuerin by Roswitha Gruber

Autor:Roswitha Gruber
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Bergbäuerin, Frauenschicksal, Landleben, Heimatroman, Schweiz, Kanton Uri, Lebensgeschichte, Erfahrung, Bäuerin, Landliebe, Lena, Aloisia, Rosenkohl, Oktoberfest, Großmütter
veröffentlicht: 2013-12-15T16:00:00+00:00


Schwarzschlachten

Die internierten polnischen Soldaten, denen wir letztlich die Elektrizität zu verdanken hatten, wurden im Laufe der Jahre, die sie notgedrungen in einem Lager verbringen mussten, auch für allerlei andere Dienste in der Gegend eingesetzt. Schließlich standen die meisten Einheimischen noch im Aktivdienst, und da wurden kräftige Männer gebraucht. So bekamen sie zum Beispiel den Auftrag, in den Bergwäldern Bäume zu fällen, was damals, ohne Motorsägen, noch eine gefährliche und anstrengende Arbeit war.

Offensichtlich war ihre Verpflegung, die sie für diese schwere Tätigkeit bekamen, reichlich. Zu reichlich, denn alle wussten, dass in den Abfallkübeln des Lagers viele einwandfreie Lebensmittel landeten – mehr, als die Landbevölkerung sich je hätte leisten können. Ein gefundenes »Fressen« im wahrsten Sinne für unsere immer hungrigen Buben, die an solch verschwenderischen Umgang mit Nahrung nicht gewöhnt waren. Aber noch etwas anderes entdeckten sie. Dass nämlich die Polen nicht nur im Überfluss zu essen hatten, sondern auch über ein gut gefülltes Getränkelager verfügten. Neugierig, wie Kinder nun mal sind, wollten drei der Lausbuben, der Peter, der Heini und der Wälti, auskundschaften, was es da Gutes gab. Wie sie es angestellt haben, in die Getränkekammer des Lagers einzudringen, haben sie mir nicht verraten. Wohl aber, dass sie beim Anblick der vielen Flaschen in verschiedenen Größen und Farben ganz blanke Augen bekamen, denn von daheim kannten sie schließlich nichts anderes als Wasser, allenfalls mit ein bisschen Most versetzt, und Pfefferminztee aus den Kräutern, die in unserem Garten wie Unkraut wucherten.

Eine von den schönen braunen Flaschen mit Bügelverschluss erweckte bei ihnen den Eindruck, sie sei leicht zu öffnen und ihr Inhalt müsse überdies gut schmecken. Da von dieser Sorte genügend Kästen ­herumstanden, würde es nicht auffallen, wenn sie eine Flasche mitgehen ließen, dachten sie und schafften es ohne Schwierigkeiten, ihre Beute an den Wachen vorbeizuschmuggeln. Im nahen Wald suchten sie sich daraufhin ein geeignetes Versteck, um sich den verlockenden Inhalt ungestört zu Gemüte zu führen. Peter, der schon die zweite Klasse besuchte und als einziger der Brüder lesen konnte, versuchte zunächst zu entziffern, was ihnen da in die Hände gefallen war. »Bier«, stand auf dem Etikett. Sie kannten nicht mal das Wort, geschweige denn hatten sie so etwas in ­ihrem Leben gesehen und erst recht nicht getrunken. Verwundert stellte die kleine Schar fest, dass die Flasche beim Öffnen zischte. Noch mehr staunten sie über den weißen Schaum, der herausquoll und in ­ihnen die Erwartung weckte, es mit einem lieblichen, süßen Getränk zu tun zu haben. Wie enttäuscht waren sie daher, dass dieses prickelnde Zeug keineswegs süß, sondern von ausgesprochen bitterem Nachgeschmack war. Was sie jedoch nicht daran hinderte, die Flasche bis zum letzten Tropfen zu leeren. So konsumierten die drei Knirpse von neun, sechs und fünf Jahren das erste Bier ihres Lebens.

Waren die Flaschenbatterien der Polen eine allzu große Versuchung für meine Söhne, so waren es die gut gefüllten Abfallkübel für unsere Schweine, die täglich ins Freie geführt wurden, damit sie sich einen Teil ihrer Nahrung selbst suchten. Und vor den Toren des Lagers fanden sie das reinste Schlaraffenland in Gestalt der flachen, offenen Behälter, die sie nach Herzenslust durchwühlen konnten.



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